Für die Vielfalt: BÖLW fordert Neuausrichtung des EU-Saatgutrecht
Vorschläge der EU-Kommission zum EU-Saatgutrecht vom Agrarausschuss des EUParlaments
als unzureichend abgelehnt
Berlin, 11.02.14 Der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments hat sich heute gegen einen
Vorschlag der EU-Kommission zu Neuregelung des Saatgutrechts ausgesprochen. Dieser sei
unzureichend. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft
(BÖLW), kommentiert die Ausschuss-Entscheidung:
"Der BÖLW begrüßt die Zurückweisung der Kommissionsvorlage zum Saatgutrecht. Der EUAgrarausschuss
hat richtig erkannt, dass sie keine praxistaugliche Grundlage für eine Weiterentwicklung
ist. Würde der Vorschlag umgesetzt, könnte der dramatische Verlust von Obst-,
Gemüse- und Getreidesorten forciert und die Existenz wichtiger Züchtungsunternehmen aufs
Spiel gesetzt werden. Ohne Biodiversität ist die weltweite Ernährungssicherung in Gefahr: Eine
Anpassung der Pflanzen an die Folgen des Klimawandels, wie Dürre, wäre ohne eine breite
genetische Vielfalt bei Nutzpflanzen kaum möglich.
Wir erwarten von den EU-Abgeordneten, dass sie nach der entscheidenden Ablehnung des
Vorschlags jetzt ihre Kritikpunkte benennen. Nur so wird der Kommission klar, welche Änderungen
im Verordnungsentwurf vorgenommen werden müssen, um Saatgutvielfalt zu erhalten und
eine vielfältige Züchtung zu ermöglichen. Mit einer neuen Verordnung muss dafür Sorge getragen
werden, dass traditionelles Saatgut ohne bürokratische Hemmnisse erhalten bleibt und
neue Züchtungen für verschiedene Anbausysteme und Nutzungen einfach und ohne Hindernisse
einen Markzugang bekommen. Bisher würden einige große Unternehmen, die nur wenige
Hochertragssorten auf den Markt bringen, deutlich bevorzugt; andere Unternehme und Züchtungsansätze
hingegen verdrängt. Der BÖLW fordert EU-Kommission und -Parlament auf, bei
der Überarbeitung der Saatgutverordnung folgende Punkte besonders zu berücksichtigen:
1. Sorten, welche für den Öko-Landbau gezüchtet sind, müssen unter Öko-Bedingungen
und auf passenden Standorten geprüft werden.
2. Sorten, die sich durch ein weniger einheitliches Erscheinungsbild auszeichnen, müssen
zugelassen werden können.
3. Informationen zur Züchtungsmethode der Sorten müssen allgemein verfügbar sein.
4. Der Erhalt und die Förderung der Artenvielfalt bei Nutztieren und -Pflanzen sind ein wichtiges
öffentliches Ziel sowie eine die Verpflichtung der Staaten über internationale Verträge.
Daher muss die wissenschaftliche und praktische Kompetenz zur Prüfung von
Sorten in öffentlicher Hand und vor Ort erhalten bleiben und darf nicht privatisiert werden.
Würden diese vier Forderungen bei einer Neufassung des Saatgutrechts nicht eingearbeitet,
wäre eine Liberalisierung des Saatgutmarktes, in dem das staatliche Zulassungswesen als freiwilliges
Qualitätssystem fungiert, zu bevorzugen.“
Hintergrund
Mit der Neufassung des EU-Saatgutrechts sollen zahlreiche europäische und nationale Regelungen
zusammengeführt werden. Die Neufassung wird von der EU-Kommission seit 2007 diskutiert.
Sie hatte den Entwurf im Mai 2013 vorgestellt. Von den Abgeordneten des EUParlaments
wurden im Dezember 2013 über 1.400 Änderungsanträge eingebracht. Sprecher
aller Fraktionen haben in den vergangenen Wochen grundsätzliche Kritik an dem Entwurf geäußert.
Die EU-Kommission ist nun aufgefordert, den Entwurf der Verordnung zurückzunehmen.
Andernfalls bliebe er unbearbeitet im EU-Parlament hängen. Da sich die Fraktionen im Agrarausschuss
nicht auf einen Resolutionstext an die Kommission einigen konnten, wird dieser vermutlich
in den nächsten Wochen im Plenum des EU-Parlaments weiter debattiert werden. Eine
Neuvorlage des Verordnungsvorschlags durch die Kommission würde etliche Monate in Anspruch
nehmen. Am 11.02.2014 haben sich 37 von 39 Abgeordneten des EU-Agrarausschusses
gegen den Vorschlag der Kommission ausgesprochen.
Weitere Infos
http://www.boelw.de/saatgut.html
www.freievielfalt.de
3960 Zeichen, Veröffentlichung honorarfrei, um ein Belegexemplar wird gebeten, Ansprechpartner: Dr. Felix Prinz zu
Löwenstein, Tel.: 0171.3035 686; BÖLW-Landwirtschaftsexperte Peter Röhrig, Tel. 0160.964 599 51
Dokument als PDF: pm_boelw_saatgut